Eine kurze Geschichte der Menschheit und Das Buch der verbotenen Bücher

   „Der größte Betrug der Geschichte“! So beurteilt der 1976 geborene israelische Geschichtsprofessor Yuval Noah Harari in seinem soeben erschienenen Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ den Übergang zur Landwirtschaft, der vor rund 11.000 Jahren in den Hügeln der Südosttürkei, des Westiran und der Levante begann. Hatte sich der Homo sapiens bis dahin überall ernährt, indem er wilde Pflanzen sammelte und wilde Tiere jagte, begannen die Sapiens nun, ihre Anstrengungen fast ausschließlich auf die Manipulation einiger weniger Tier- und Pflanzenarten zu konzentrieren. Sie säten Samen, bewässerten Pflanzen, jäteten Unkraut und führten Schafe auf saftige Weiden.

   Diese Wende, die von der Wissenschaft als großer Sprung für die Menschheit bezeichnet wurde, hält Harari jedoch für keinen Fortschritt. Nicht nur, dass der Alltag der Bauern härter und weniger befriedigend war als der ihrer Vorfahren. Die Jäger und Sammler ernährten sich auch gesünder, arbeiteten weniger, gingen interessanteren Tätigkeiten nach und litten weniger unter Hunger und Krankheit. Aber wie brachten Weizen, Reis und Kartoffeln den Homo sapiens dazu, sein relativ angenehmes Leben gegen eine derart kümmerliche Existenz einzutauschen? Eine bessere Ernährung war es jedenfalls nicht, meint Harari, denn eine auf Getreide basierende Kost ist arm an Mineralien und Vitaminen und schwer verdaulich. Der Weizen bot den Menschen auch keine größere wirtschaftliche Sicherheit. Wenn der Regen ausblieb, Heuschreckenschwärme einfielen oder die Pflanze von Pilzen befallen wurde, starben die Bauern zu Tausenden. Und er bot auch keinen Schutz vor menschlicher Gewalt. Wer nicht ausweichen kann, weil er sonst alles verliert und den Hungertod riskiert, muss bleiben und bis zum bitteren Ende kämpfen.

   Was also bot der Weizen? Dem Einzelnen hatte er gar nichts zu bieten, so Harari, wohl aber der Art des Homo sapiens. Der Weizenanbau bedeutete schlicht mehr Kalorien pro Fläche, und das wiederum ermöglichte es dem Homo sapiens, sich exponentiell zu vermehren. Fazit: mehr Menschen konnten ernährt werden, wenn auch unter schlechteren Bedingungen. In Wirklichkeit waren es also diese Pflanzen, die den Menschen domestizierten, nicht umgekehrt. So dass sich die vielgepriesene „landwirtschaftliche Revolution“ als heimliche Versklavung des Menschen durch die Ackerpflanze erwies. Oder mit Harari gesagt: Wir denken und fühlen bis heute zwar wie die Jäger und Sammler, doch wir ernähren uns wie die ersten Bauern.

   Dieser andere Blick auf die „landwirtschaftliche Revolution“ ist nur eines von vielen Kapiteln, die Harari bei seiner so spannenden wie aufschlussreichen Reise durch die Geschichte aufschlägt. Nicht umsonst stand sein Buch in Israel über 100 Wochen auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste und werden seine Vorlesungen zur Weltgeschichte zehntausendfach bei YouTube abgerufen. Eine Reise, die bei den Affenmenschen beginnt und in einer übertechnisierten Zukunft, Stichwort: Cyborg, endet. Dabei macht Harari drei große Antriebskräfte der Menschheit aus: die weltumspannende Macht des Geldes, die imperiale Gewalt, die unterschiedlichsten Kulturen ihren Stempel aufdrückt, und die Wirkung der Religionen, die universale Werte formulieren.

   Keine Neuerscheinung, aber ein Werk, das in keinem Bücherregal fehlen sollte, ist das „Buch der verbotenen Bücher“, eine Universalgeschichte des Verfolgten und Verfemten von der Antike bis heute, verfasst von dem 1947 in Heidelberg geborenen Werner Fuld, der heute als Autor und Kritiker in der Nähe von München lebt. Fuld erzählt darin von Zensur und Selbstzensur, von zerstörten Bibliotheken und verbotswütigen Fundamentalisten, von gewitzten Verlegern und trickreichen Autoren. Von Ovid bis Solschenizyn, von Baudelaire bis Joyce, von Heine und bis heute verbotenen Büchern in China und der arabischen Welt.

   Wobei Fuld in seinem Vorwort betont, dass die Geschichte der verbotenen Bücher nicht nur von der Kette der Unterdrückung, von vernichteten Werken und ermordeten Autoren erzählt, sondern dass sie auch eine Chronik der Siege des Worts über die Macht darstellt. Denn kein verbotenes Manuskript blieb ungelesen, kein beschlagnahmtes Buch konnte nicht irgendwo anders erworben werden.

   Wie verrückt es dabei zugehen kann, führt Fuld an einem besonders kuriosen Beispiel vor: So beschlagnahmte die Polizei in dem Ort Empire in Kalifornien Anfang der neunziger Jahre vierzig Exemplare einer illustrierten Ausgabe des Märchens „Rotkäppchen“. Der Grund war allerdings nicht das Aufschlitzen des Wolfs bei lebendigem Leib durch den Jäger oder die Tierquälerei mit den eingenähten Steinen, sondern Rotkäppchens Geschenk: Sie sollte der Großmutter eine Flasche Wein bringen. Und diese Anstiftung zum Alkoholkonsum konnte nicht geduldet werden.

   Yuval Noah Harari: „Eine kurze Geschichte der Menschheit“. Deutsche Verlags-Anstalt, München. 528 Seiten, 24,99 Euro.

   Werner Fuld: „Das Buch der verbotenen Bücher“. Galiani Verlag, Berlin 2012. 352 Seiten, 22,99 Euro.

 

Wolfgang Schweiger